Wo der Königstein schaut tief ins Tal hinein“

Neue CD mit Heimatliedern aus dem Burzenland, dazu ein schönes Büchlein mit Bildern, Liedertexten und Melodien / Von Dr. Markus Fischer

Der Jugendbachchor Kronstadt unter Leitung von Steffen Schlandt hat jüngst eine stattliche Anzahl von Heimatliedern aus dem Burzenland/Tara Bârsei, dem nach der Burzen/Bârsa benannten Gebiet um Kronstadt/Brasov, eingespielt, die nun ganz frisch als ästhetisch ansprechende CD erschienen sind. Zur CD gehört ein 58 Seiten umfassendes, fein aufgemachtes broschiertes Büchlein im DIN A5-Querformat, das die Liedertexte und ihre Melodien sowie zahlreiche, zumeist farbige Reproduktionen von Gemälden und Fotos wie auch eine Collage und eine historische Karte des Burzenlandes enthält. CD und Buch entstanden im Rahmen eines gemeinsamen Projektes der Kronstädter Honterus-Gemeinde zusammen mit der Heimatortsgemeinschaften(HOG)-
Regionalgruppe Burzenland. Als Herausgeber fungiert die Evangelische Kirche A.B. Kronstadt, die auch das Copyright an dem gelungenen Projektresultat besitzt.

Buch und CD tragen den Titel „Wo der Königstein schaut tief ins Tal hinein“. Bei dieser Verszeile handelt es sich um ein Zitat aus dem Burzenlandlied, dessen Text samt Melodie von Rudi Klusch stammt und das mit den Worten beginnt: „Burzenland, du wunderschönes Heimatland, wo der Königstein schaut tief ins Tal hinein.“ Das Cover von Buch und CD schmückt jeweils das Burzenländer Wappen, eine silberne heraldische Lilie auf blauem Grund, oben links und rechts flankiert von je einem sechsstrahligen goldenen Stern. Das Titelbild wurde unter Verwendung dieses Wappens von Renate Mildner-Müller gestaltet.

Gesammelt wurden die Heimatlieder von Steffen Schlandt, dem Organisten der Schwarzen Kirche in Kronstadt und Leiter des dortigen Bachchors sowie des Jugendbachchors, der die Burzenländer Lieder auf der CD mit großer Sangesfreude, stimmlicher Vielseitigkeit, technischer Versiertheit und interpretatorischem Ideenreichtum zum Klingen bringt.

Der 1993 gegründete Jugendbachchor hat derzeit an die zwanzig Mitglieder, die insgesamt sechs Konfessionen angehören und drei Muttersprachen sprechen. Wie einst die ungarischen Komponisten Béla Bartók und Zoltán Kodály oder der rumänische Komponist Constantin Brãiloiu durch Siebenbürgen reisten, um Volksmusik systematisch zu erfassen und aufzeichnen, so ist nun auch Steffen Schlandt durch das Burzenland gefahren, um Heimatlieder aus Kronstadt und den umliegenden Dörfern zu sammeln, um diese dann später auf einer CD akustisch und in einem Buch optisch zu versammeln. Manche der gesammelten Melodien wurden Steffen Schlandt bereits in schriftlich aufgezeichneter Form übergeben, andere musste er sich erst vorsingen oder vorspielen lassen, um sie direkt vor Ort in Notenschrift zu bringen oder mittels einer Tonaufnahme später zu transkribieren.

Die hier versammelten Heimatlieder entstanden zumeist in den dreißiger bis fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Einige davon sind in fast allen Gemeinden des Burzenlandes und zum Teil sogar darüber hinaus bekannt, andere genießen eine lediglich lokale Verbreitung. Sieben der im Liederbuch versammelten Texte sind – zusätzlich zur hochdeutschen Version – auch im originalen sächsischen Dialekt abgedruckt. Der Jugendbachchor singt alle Lieder jedoch auf Hochdeutsch. So kann man die auf der CD ertönenden Liedertexte im Buch problemlos mitlesen, was sicher mit Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre, wenn der Jugendbachchor die Heimatlieder in ihrer ursprünglichen Dialektfassung gesungen hätte.

Die Inhalte der Heimatliedertexte entsprechen zum einen der Thematik von Volksliedern: die Feier der Landschaft und der Natur, die Invokation des Heimatdorfes oder der Heimatstadt, die Idylle des Dorflebens, der Gang der Jahreszeiten, Liebe und Sehnsucht, Trauer und Verlust. Zum anderen werden aber auch historische Ereignisse in den Heimatliedertexten festgehalten und verarbeitet: So erinnert zum Beispiel das Lied „Bei Marienburg“ an die Schlacht gegen den Szeklerfürsten Gabriel Báthory bei Marienburg am 16. Oktober 1612, in der der Kronstädter Stadtrichter Michael Weiß und mit ihm auch 39 Schüler des Kronstädter Honterus-Gymnasiums ihr Leben ließen.

Sehr schön an dieser Liedersammlung ist auch, dass in ihr die verschiedenen Orte des Burzenlandes in Texten und Bildern umfassend repräsentiert sind: Bartholomä/Bartolomeu, Brenndorf/Bod, Heldsdorf/Hãlchiu, Honigberg/Hãrman, Kronstadt/Brasov, Marienburg/Feldioara, Neustadt/Cristian, Nußbach/Mãierus, Petersberg/Sânpetru, Rosenau/Râsnov, Rothbach/Rotbav, Schirkanyen/Sercaia, Tartlau/Prejmer, Weidenbach/Ghimbav, Wolkendorf/Vulcan, Zeiden/Codlea.

Das Petersberger Heimatlied, dessen Text von Heinrich Lukesch im Jahre 1950 verfasst wurde, konnte bedauerlicherweise auf der CD nicht eingespielt werden, da es auf die Melodie des populären Wienerliedes „Drunt’ in der Lobau“ gedichtet ist, das von dem bekannten österreichischen Operetten- und Liederkomponisten Heinrich Strecker stammt. Obwohl dieses Lied den Petersbergern in schweren Zeiten Trost spendete, hat der Verlag, der die Rechte an dem Lied besitzt, das 1926 entstand und 1939 sogar zur Titelmelodie eines Films avancierte, den Abdruck der Melodie und die Einspielung auf CD nicht genehmigt.

Hervorzuheben sind auch die schönen farbigen Reproduktionen von Gemälden, die in dem Liederbuch abgedruckt sind und deren Originale sich im Kunstmuseum Kronstadt, im Brukenthal-Museum Hermannstadt sowie in Privatbesitz befinden, darunter das Ölbild „Honigberger Kirchenburg“ von Hans Hermann, das Ölgemälde „Bartholomäer Kirche“ von Stefan Mironescu und das Aquarell „Rosenau“ von Wilhelm Kamner.

Ein Herbstbild und ein Trachtenbild, beide von Friedrich Mieß, stehen im Buch neben zwei Liedtexten, die zusätzlich auch im siebenbürgisch-sächsischen Dialekt abgedruckt sind und besonders hervorgehoben zu werden verdienen, denn sie sind auf der CD in solistischer Besetzung wiedergegeben (Solistinnen: Gabriela Schlandt und Larisa Gligor), begleitet an der Orgel von Steffen Schlandt. Instrumentalvariationen von Steffen Schlandt über das Burzenlandlied, die an der Orgel in Weidenbach aufgenommen wurden, beschließen den Reigen der auf der CD versammelten hörenswerten Musikstücke.

Dass Buch und CD mit Heimatliedern aus dem Burzenland just im Jahr 2011 erschienen sind, ist sicher kein Zufall: Denn heuer ist es genau 800 Jahre her, dass der Deutsche Ritterorden ins Burzenland berufen wurde. Die Spuren der ersten siebenbürgisch-sächsischen Siedler im Burzenland liegen weiter zurück, aber der Ritterorden hat die Ansiedlung deutscher Einwanderer weiter gefördert. So erinnern die Heimatlieder auch an die jahrhundertealte Geschichte dieser Heimat.

Buch und CD, die sich sehr gut auch als Geschenk eignen, sind dabei nicht nur für Burzenländer von Interesse, sondern für alle, die Musik, Kunst, Dichtung, Landschaft und Regionalgeschichte lieben.
Wer Buch und CD käuflich erwerben möchte, kann dies in Kronstadt (in der Aldus-Buchhandlung oder am Verkaufsstand der Schwarzen Kirche) oder in Hermannstadt (in der Schiller- oder in der Erasmus-Buchhandlung im Friedrich-Teutsch-Haus) tun. Wer dort nicht hingelangt, kann Buch und CD beim Pfarramt der evangelischen Kirche in Kronstadt bestellen (Tel.: 0268-511824). Buch und CD kosten jeweils 25 Lei.

„ ...wo der Königstein schaut tief ins Tal hinein“

Burzenland / Von Ursula Philippi

Ist sie perfekt? Nicht ganz! Was löst dann beim Hören und Wiederhören dieser CD bei der Rezensentin solche Begeisterung aus? Dabei ist sie sonst eher misstrauisch, wenn es heißt: Heimatklänge. Zuhauf stapeln sich die Scheiben mit den bekannten und auch weniger bekannten Liedern. Seien es Singgruppen oder Chöre, Blaskapellen oder andere Ensembles, sei es sächsisch, deutsch, rumänisch oder ungarisch: es reißt einen sonst nicht vom Hocker!

Zum 800-jährigen Jubiläum des Burzenlandes präsentiert die Evangelische Honterusgemeinde Kronstadt zusammen mit der HOG-Regionalgruppe Burzenland eine Sammlung von Heimatliedern auf CD sowie ein Heft mit Liedern und Bildern zum gleichen Thema. Erhältlich sind beide Neuerscheinungen im Kassenamt Kronstadt und in der Erasmus-Buchhandlung in Hermannstadt zum Preis von je 25 Lei.

Wie fast alle Orte hat auch jedes Dorf im Burzenland sein Lied, seine eigene Hymne. Mancherorts gibt es gleich mehrere Lieder, so in Honigberg, in Zeiden, in Wolkendorf und natürlich in Kronstadt. Sozusagen in letzter Minute sind einige dieser Melodien und Texte von Steffen Schlandt gesammelt worden. Nicht überall kann man sie heute noch hören. Verse und Musik stammen von ganz verschiedenen Personen. Manches Lied entstand fern der Heimat, wohl auch in der Russlanddeportation. Pfarrer und Pfarrfrauen, Lehrer, Dichter, Komponisten, aber auch ganz unbekannte Männer und Frauen haben ihrer engeren Heimat in Wort und Klang ein Denkmal gesetzt. Gelegentlich scheinen geschichtliche Ereignisse durch, so im Lied „Bei Marienburg“, und hie und da geht es witzig zu, wie im „Rothbächerlied“. Anfang und Ende der Sammlung machen bekannte und unbekannte Burzenland-Lieder und natürlich darf das Siebenbürgenlied von Johann Lucas Hedwig auf ein Gedicht von Max Moltke nicht fehlen.

Und nun zum Grund für die Begeisterung: Es ist die völlig unbefangene Herangehensweise junger Menschen an ein nicht unbelastetes Thema. Oft genug wurden in früheren Zeiten Heimatlieder für Propagandazwecke missbraucht. Es ist noch gar nicht so lange her, da „musste“ jeder Chor einiges davon im Repertoire führen. Und wer kennt sie nicht, die nostalgischen Töne der 90-er Jahre, als Heimat verloren ging und hüben wie drüben wehmütig besungen wurde. Nun aber: ein wunderbar klingender Kronstädter Jugendbachchor, ein Klavier, verschiedene Orgelregister und gelegentlich auch dezente Schlagzeugklänge sind die Werkzeuge, mit denen Steffen Schlandt die Lieder des Burzenlandes neu präsentiert. Die einzelnen Stücke sind teils einstimmig, teils chorisch gesetzt, wobei Männer-, Frauen- und gemischter Chor sich abwechseln. Gerne hätte man erfahren, wer die Musik gesetzt hat, wenn es nicht eindeutig Schlandts geistreiche Improvisationen sind. Das ist dem sparsamen booklet aber nicht zu entnehmen. Auch zu den Text- und Liederdichtern möchte man unbedingt einiges erfahren. Dass Michael Zerbes in Honigberg langjähriger und sehr verdienter Musiklehrer war, weiß wohl heute kaum noch jemand.

Manche Chorsätze, vor allem die Frauenchöre, könnten aus der Feder von Johannes Brahms stammen, so zum Beispiel der Satz von Hans Milds „Das Dorf im Burzenland“. Romantischer Wohlklang pur präsentiert sich im „Honigberger Lied“ und lässt an Mendelssohn denken. Mit Witz und Charme kommt manches Arrangement daher, sei es das „Honigberger Loserlied“ oder das Nachspiel zum „Schirkanyer Lied“, das eigentlich ein Liebeslied ist. Den Männer- wie auch den Frauenstimmen des Jugendbachchors hört man die Lust an diesen Bearbeitungen an. Glockenrein und völlig ungekünstelt singen Larissa und Gabriela  das Lied „Beim Birnbaum“ solistisch.

Wie bei fast allen Heimatliedern spielt Natur eine wichtige Rolle in den Texten. Himmel, Wolken, Berge, Wälder, ja sogar Besonderheiten wie die Schachbretttulpe werden besungen. Im Liederheft „Heimatlieder und Bilder aus dem Burzenland“ überwiegen daher auch Landschaftsmalereien und Fotos mit Burzenländer Motiven. Sie illustrieren, was in den einzelnen Strophen besungen wird. Liest man die Texte allein, so ist der Eindruck nicht selten ein zwiespältiger: so viel „traute Heimat“! Manches klingt pathetisch. „Glockenklänge“ werden stets bemüht. Umso überraschender ist das musikalische Ergebnis auf der CD: zweifellos ein ästhetischer Genuss, ein wunderbarer Chorklang, Wärme des Ausdrucks ohne falsches Pathos. Wie schaffen das diese jungen Chorleute, Städter allesamt, und nur teilweise des Deutschen mächtig?

Steffen Schlandt beweist mit diesen Aufnahmen Stilsicherheit und guten Geschmack. Und selbst wo die Interpretation einmal ins Pathetische „abgleitet“, wie am Schluss der Tartlauer Hymne, verhält es sich eher so wie mit der historisch korrekten Aufführungspraxis Alter Musik: es ist gewollt. Natürlich kann man es schade finden, dass die sächsischen Lieder nicht in der Mundart daherkommen. Nicht nur in Kronstadt sind junge Menschen, die sächsisch sprechen und singen können, eine Seltenheit geworden. Dafür entschädigt hier eine Aura der Begeisterung, ein wirkliches Dahinter-Stehen, ein Sich-Identifizieren, das dem aufmerksamen Ohr aus jedem Lied entgegenklingt.

Wann hat man das Siebenbürgen-Lied so frisch, so intensiv gehört wie auf dieser Platte, zunächst als Männer- dann als gemischten Chor? Es ist mit diesen Aufnahmen, als wurde ein Schatz wiedergefunden. Die Rezensentin kann nur empfehlen, was sie selbst ausprobierte: unterwegs sein im sommerlichen Siebenbürgen, bergauf-bergab, vorbei an alten Dörfern und stillen Wiesen, mit der CD „Heimatlieder aus dem Burzenland“ im Ohr. Darf sie es verraten? Ihr kamen die Tränen, dann wieder lachte sie. Selten haben Lieder sie in ein solches Wechselbad der Gefühle gestoßen. Heimat? Wehmut? Freude? Bei dieser Aufnahme liegt alles nahe beieinander. Alle Mitwirkenden sind herzlich zu beglückwünschen.